Sich gelassen ärgern

Ein Thema, das mir in meiner Arbeit immer wieder begegnet, ist der Wunsch von KlientInnen nach mehr Gelassenheit im Alltag. Also zu lernen, Dinge weniger persönlich zu nehmen, sich weniger zu ärgern oder aufzuregen, bzw. seltener in einen innerlichen Widerstand zu verfallen und den eigenen Ärger wiederzukäuen.

Dabei begegne ich immer wieder der Idee, dass Gelassenheit ein Zustand ist, in dem man ruhig bleibt, weil einem ärgerliche Dinge einfach „wurscht“ sind bzw. weil man ja „drüber steht“.

„Wurscht“ und „Drüber stehen“ sind aber beides Zustände, in denen ich eigentlich versuche, meine Gefühle los zu werden. D.h. ich muss viel innerliche Anstrengung aufbringen, um etwas, das mich offensichtlich berührt, zu ignorieren.

Tatsächliche Gelassenheit bedeutet aber nicht zu ignorieren, sondern die Fähigkeit zu nutzen einverstanden zu sein. Und zwar mit dem, was ich bzgl. der momentanen Situation spüre.

Mit ‚einverstanden sein’ ist nicht gemeint, sich alles gefallen zu lassen und gleichgültig hinzunehmen. Es meint bereit zu sein, einer Empfindung in mir Raum zu geben, ohne sofort einem automatischen Handlungsimpuls zu folgen. D.h. sich einen Moment Zeit zu nehmen, in dem man ein paar tiefe Atemzüge nimmt, sich zu entschleunigen und sich in seinem Atem zu verankern. Dadurch wird man wieder klarer werden und kann sich einen Augenblick nehmen, einfach um zu spüren, was man gerade spürt, ohne dieses Gefühl sofort los werden zu müssen.

Wenn ich es schaffe, diese Empfindung anzunehmen und damit einverstanden zu sein, werde ich vom Ärger oder dem Gefühl des angegriffen seins nicht überwältigt. Es wird mir eher möglich sein, der Empfindung in mir Raum zu geben – ähnlich einem Gefäß, das groß genug ist, alles was da ist zu beinhalten, statt überzugehen.

Danach kann ich noch immer entscheiden, was ich bzgl. der momentanen Situation tun oder nicht tun will. Ich werde aber sehr wahrscheinlich besonnener und – gelassener reagieren können.